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Mann repariert Kühlschrank

Green Deal – Vom Wegwerfen zur Reparatur*

Das Europäische Parlament und der Rat haben in der Nacht auf den 02. Februar 2024 eine vorläufige politische Einigung zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission (Kommission) für eine Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren (Reparatur-RL) erzielt. Der RL-Vorschlag zielt darauf ab, die Reparatur defekter Geräte zu fördern und Neuanschaffungen zurückzudrängen. Diese vorläufige politische Einigung steht in direktem Zusammenhang mit einer anderen, kurz zuvor erfolgten politischen Einigung auf einen Vorschlag der Kommission für eine neue Ökodesign-Verordnung (Ökodesign-VO) für nachhaltige Produkte. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Industrie zur Herstellung nachhaltiger, langlebiger und reparierbarer Produkte zu verpflichten. Hinter beidem steckt die Erkenntnis: reparierbare Produkte sind langlebiger, verringern den Ressourcenverbrauch, verkleinern den CO2-Fußabdruck, vermeiden Abfälle und schonen damit das Klima und die Umwelt, insbesondere wenn dies durch Reparatur- und Informationspflichten zu den Reparaturmöglichkeiten und zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Grünfärberei (vgl. mein vorangegangener Beitrag) flankiert wird. Die beschriebenen Maßnahmen sind wesentlicher Bestandteil des grünen Wandels (Green Deal), zu dem sich die EU verpflichtet hat und der zur Klimaneutralität Europas im Jahre 2050 führen soll.

Aufgabe dieses Beitrags ist es, die Hintergründe sowie die Instrumente zur Erreichung der angestrebten Ziele zu beleuchten und einen Ausblick darauf zu geben, was in naher Zukunft auf die Industrie und den Handel im Zusammenhang mit der Reparierbarkeit von Produkten und Reparaturverpflichtungen zukommen wird.

Hintergrund

Die Kommission hat am 30. März 2022 ein Paket von Vorschlägen im Rahmen des Europäischen Green Deals vorgelegt, um nachhaltige Produkte in der EU zur Norm zu machen, kreislauforientierte Geschäftsmodelle zu fördern und die Verbraucherinnen und Verbraucher beim grünen Wandel zu stärken. Wie bereits im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (von der Kommission im März 2020 vorgelegt) angekündigt, schlägt die Kommission neue Vorschriften vor, um fast alle physischen Waren auf dem EU-Markt während ihres gesamten Lebenszyklus, vom Entwurf über den täglichen Gebrauch bis hin zur Entsorgung oder Umnutzung, umweltfreundlicher, kreislauffähiger und energieeffizienter zu machen. Zu den Instrumenten der Kommission gehören im Wesentlichen drei Initiativen.

Zum einen ein Vorschlag für eine Ökodesign-VO für nachhaltige Produkte. Gegenstand dieser Initiative, auf die sich das Europäische Parlament und der Rat in der Nacht auf den 05. Dezember 2023 vorläufig politisch verständigt haben, ist die Produktgestaltung, die für bis zu 80 % der Umweltauswirkungen eines Produkts während seines Lebenszyklus verantwortlich ist. Insoweit enthält der Vorschlag neue Anforderungen, damit Produkte nachhaltiger und zuverlässiger sowie wiederverwendet, nachgerüstet und repariert, leichter gewartet, aufgearbeitet oder recycelt werden können, womit eine energie- und ressourceneffizientere (ökologischere) Gestaltung (Design) von physischen Produkten erreicht werden soll. Zudem sollen produktspezifische Informationsanforderungen dafür sorgen, dass die Umweltauswirkungen des Produktes für die Verbraucher­innen und Verbraucher klarer erkennbar werden. Das soll zum einen über digitale Produktpässe für alle unter die Verordnung fallenden Produkte geschehen, wodurch sich Produkte leichter reparieren oder recyceln und bedenkliche Stoffe entlang der Lieferkette einfacher zurückverfolgen lassen sollen. Zum anderen soll der für energieverbrauchsrelevante Produkte wie z. B. Kühlgeräte, Geschirrspüler, Waschmaschinen usw. bereits bestehende Ökodesign-Rahmen in zweifacher Hinsicht erweitert werden. Erstens soll ein möglichst breites Spektrum von Produkten abgedeckt und zweitens soll der Geltungsbereich der Anforderungen, die Produkte erfüllen müssen, ausgeweitet werden. Die Festlegung von Mindestkriterien nicht nur für die Energieeffizienz, sondern auch für die Kreislaufwirtschaft und eine allgemeine Verringerung des Umwelt- und Klimafußabdrucks von Produkten sollen eine höhere Energie- und Ressourcenunabhängigkeit und eine Eindämmung der Umweltverschmutzung bewirken. Die Kommission verspricht sich von der Ökodesign-VO darüber hinaus eine Stärkung des Binnenmarkts, da sie an die Stelle voneinander abweichender einzelstaatlicher Rechtsvorschriften treten und nach Ansicht der Kommission wirtschaftliche Innovationsmöglichkeiten, insbesondere in den Bereichen Wiederaufarbeitung, Wartung, Recycling und Reparatur schaffen wird.

Der für den Europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans erklärte bei Vorstellung der Vorschläge:

„Es ist höchste Zeit, dass wir das Modell der Wegwerfgesellschaft ad acta legen, das für unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft so schädlich ist. Die heute vorgelegten Vorschläge stellen sicher, dass in Europa nur die nachhaltigsten Produkte angeboten werden. So können Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Energieverbrauch senken und kaputte Produkte reparieren lassen, anstatt sie zu ersetzen. Ferner können sie beim Kauf neuer Produkte intelligente, umweltverträgliche Entscheidungen treffen. Auf diese Weise bringen wir unser Verhältnis zur Natur wieder ins Gleichgewicht und sind weniger anfällig für Störungen in globalen Lieferketten.“

Zu den von der neuen Ökodesign-VO erfassten Produkten werden neben Textilien und Bauprodukten in jedem Fall weiterhin alle energieverbrauchsrelevanten Produkte, insbesondere (Haushalts-) Elektro- und Elektronikgeräte sowie Möbel einschließlich Matratzen gehören.

Das zweite Instrument auf dem Weg zur Verwirklichung der EU-Nachhaltigkeits-, Klima- und Umweltziele im Rahmen des Green Deals ist die Initiative „Recht auf Reparatur“, mit der über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg ein nachhaltiger Konsum erreicht und der Rahmen für ein echtes EU-weites Recht auf Reparatur geschaffen werden soll. Diesbezüglich hat die Kommission einen Richtlinien-Vorschlag erarbeitet, auf den sich, wie eingangs bereits erwähnt, das Europäische Parlament und der Rat in der Nacht auf den 02. Februar 2024 ebenfalls vorläufig politisch verständigt haben. Mit den entsprechenden Vorschriften soll ein neues Verbraucherrecht auf Reparatur eingeführt werden, das sowohl im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung als auch darüber hinaus gelten und mit dem es leichter und kostengünstiger werden soll, Geräte reparieren zu lassen, statt sie einfach durch neue zu ersetzen. Diese Initiative soll zur Verwirklichung des übergeordneten Ziels der Kommission beitragen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Nach Ansicht der Kommission müssen dafür jedoch Unternehmen nachhaltiger produzieren und Verbraucherinnen bzw. Verbraucher nachhaltiger konsumieren. Zu diesem Zweck soll verhindert werden, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auf Reparaturen verzichten, weil diese umständlich sind oder nicht klar ist, wie, wo und zu welchen Konditionen Reparaturleistungen in Anspruch genommen werden können.

Schließlich gibt es noch die Initiative „Substantiierung grüner Werbeaussagen“. Diese soll dafür sorgen, dass es Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter gemacht wird, Kaufentscheidungen im Sinne des ökologischen Wandels zu treffen. Dazu muss nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers dem zunehmenden Drang der Wirtschaft nach Grünfärberei in der Werbung (vgl. meinen vorangegangenen Beitrag) begegnet werden. Das soll über gesetzliche Verbote in Bezug auf irreführende Angaben von Unternehmen über die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen geschehen

Wie geht es weiter?

Die Texte für die Ökodesign-VO und die Reparatur-RL müssen vom Europäische Parlament und dem Rat nun noch förmlich verabschiedet werden. Sobald das geschehen ist, werden die Ökodesign-VO und die Reparatur-RL im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und 20 Tage danach in Kraft treten. Während die Ökodesign-VO unmittelbare Wirkungen entfalten wird, muss die Reparatur-RL von den Mitgliedstaaten noch in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür wird den Mitgliedstaaten ein Zeitraum von 24 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie eingeräumt. Nach derzeitigem Stand dürften die neuen Vorschriften somit ab Frühjahr/Sommer 2026 gelten.

Die wichtigsten Neuerungen für Industrie und Handel auf einen Blick

Nach § 439 Abs. 1 BGB, der auf Art. 13 Abs. 2 der Warenkauf-RL zurückgeht, kann der Käufer im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die Reparatur-RL (Art. 12) wird das ändern, um Reparaturen gegenüber der Ersatzlieferung zu fördern. In Zukunft wird der Verbraucher Ersatzlieferung nur noch dann wählen können, wenn diese billiger ist als eine Reparatur. Mit anderen Worten wird das bisherige freie Wahlrecht des Verbrauchers zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung im Rahmen der gesetzlichen kaufvertraglichen Gewährleistung dahingehend eingeschränkt, dass nur Nachbesserung (Reparatur) verlangt werden kann, wenn die Kosten für eine Ersatzlieferung genauso hoch sind wie die Reparaturkosten oder diese übersteigen. Der Handel wird sich zukünftig also auf eine deutlich höhere Zahl an Nachbesserungen einstellen müssen, zumal die Hersteller über die Ökodesign-VO gezwungen werden, die Produkte nachhaltiger und reparierbar zu gestalten. Darüber hinaus soll sich die gesetzliche Gewährleistungsfrist um ein Jahr verlängern, wenn während der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ein Defekt auftritt und sich die Verbraucherin bzw. der Verbraucher für eine Reparatur entscheidet oder, weil günstiger, repariert werden muss.

Eine weitere und den wesentlichen Kern der Reparatur-RL darstellende Neuerung besteht darin, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auch nach Ablauf der Gewährleistung eine einfachere und kostengünstigere Reparatur von Defekten bei allen Geräten verlangen können sollen, die technisch reparierbar sein müssen – das wird zukünftig für alle energieverbrauchsrelevanten Produkte und damit für alle für den Möbel- und Küchenhandel relevanten Haushaltselektrogeräte gelten. Deshalb wird in Art. 5 der Reparatur-RL eine Verpflichtung für die Hersteller eingeführt, Mängel außerhalb der Gewährleistungshaftung des Verkäufers auf Wunsch des Verbrauchers und gegen einen Preis zu beheben. Durch die Verknüpfung der Anforderungen an die Reparierbarkeit von Produkten nach der Ökodesign-VO mit der durch die Reparatur-RL eingeführten Verpflichtung zur Reparatur wird sichergestellt, dass die Reparaturverpflichtung in der Praxis auch erfüllt werden kann. Die in der Reparatur-RL vorgesehene Verpflichtung der Hersteller zur Reparatur auch noch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung ergänzt somit die angebotsseitigen Anforderungen an die Reparierbarkeit der Produkte und bestärkt die Verbraucher in ihrer Nachfrage nach Reparaturen. Diesem Zusammenspiel liegt die Erkenntnis zugrunde, dass reparierbar konstruierte Produkte schlicht und ergreifend aufgrund ihrer Reparierbarkeit langlebiger und nachhaltiger sind, was zu einem geringeren Ressourcenverbrauch führt. Die daraus resultierenden Nachteile für den Absatz neuer Produkte sollen (auch) darüber kompensiert werden, dass Reparaturdienstleistungen nicht unentgeltlich erbracht werden müssen. An der bestehenden Regelung, dass eine Verpflichtung zur Reparatur nur im Rahmen des technisch Möglichen besteht, wird sich nichts ändern.

Für den Handel, der seine Produkte von Herstellern bezieht, die ihren Sitz außerhalb der Union haben, enthält Art. 5 Reparatur-RL eine wichtige Regelung. Danach hat der EU-Bevollmächtigte des Herstellers die Reparaturverpflichtung zu erfüllen. Hat der Hersteller in der Union keinen Bevollmächtigten, so erfüllt der Importeuer der betreffenden Ware die Verpflichtung des Herstellers. Gibt es keinen Importeur, so hat der Verteiler der betreffenden Ware, also der Händler, die Verpflichtung des Herstellers zu erfüllen. Das dürfte zu einer kritischen Überprüfung von Nicht-EU-Bezugsquellen durch den Handel führen.

Die Grundentscheidung für eine Priorisierung von Reparaturen innerhalb und außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung soll nach der Reparatur-RL noch durch folgende Maßnahmen flankiert werden:

  • Verpflichtung der Hersteller, über ihre geltende Verpflichtung zur Reparatur zu informieren;
  • Online-Plattformen auf nationaler Ebene, auf der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Reparaturbetrieben suchen können und über die der An- und Verkauf von überholter Ware gefördert wird;
  • Verpflichtung der Reparaturbetriebe, auf Anfrage einen Kostenvoranschlag zum Preis und den Bedingungen für die Reparatur in standardisierter Form (europäisches Formular für Reparaturinformationen) zu erstellen.

Fazit

Soweit die Kommission die neuen Green-Deal-Vorschriften unter Hinweis auf die Einführung eines neuen Verbraucherrechts auf Reparatur anzupreisen versucht, wird das der Sache jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung nicht gerecht. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um die Schaffung eines neuen Rechtes, sondern – im Gegenteil – um eine Beschränkung des bisher freien Wahlrechtes des Verbrauchers zwischen Nachbesserung oder Ersatzlieferung im Falle des Auftretens eines Mangels innerhalb der Gewährleistungsfrist unter der Voraussetzung, dass die Reparatur billiger oder gleich teuer wie die Ersatzlieferung ist.

Importiert der Handel Waren von Herstellern aus Drittstaaten, z. B. Fernost, und haben diese keinen Bevollmächtigten oder Importeur in der EU, liegen alle Reparaturpflichten innerhalb und außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beim Handel.

Bei einer gesetzlichen Kodifizierung des Irreführungsverbots zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Grünfärberei (Greenwashing, vgl. vorangegangenen Beitrag) durch irreführende Angaben zur Umweltverträglichkeit von Produkten in der Werbung kann sich der europäische Gesetzgeber an der insoweit bereits existierenden, tendenziell strengen deutschen Rechtsprechung orientieren.

Rechtsanwalt Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte Part mbB – Büro
Stuttgart – www.kleiner-law.com

*Dieser Beitrag verarbeitet die Pressemitteilungen der Europäischen Kommission zu den Green Deal-Vorschlägen vom 30.03.2022 und den vorläufigen Einigungen des Europäischen Parlaments und des Rates zum Vorschlag zu einer Ökodesign-VO vom 05.12.2023 und einer Reparatur-RL vom 02.02.2024

 

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