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Bild mit Betonhintergrund und der Aufschrift Greenwashing – „umweltfreundlich“, „nachhaltig“, „ressourcenschonend“, „klimaneutral“

Greenwashing – „umweltfreundlich“, „nachhaltig“, „ressourcenschonend“, „klimaneutral“

Mit wachsendem Umweltbewusstsein der Verbraucher werden ökologische Gesichtspunkte immer wichtiger für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen. Die Umweltverträglichkeit eines Produkts oder einer Leistung ist zu einem entscheidenden Beschaffenheitsmerkmal geworden. Dementsprechend beliebt ist inzwischen die Werbung mit umwelt- oder klimabezogenen Aussagen sowie der Einsatz von Umweltzeichen und entsprechenden Gütesigeln. Informationen über die Umweltverträglichkeit eines Produkts sind für die Verbraucher von besonderem Interesse. Dabei ist es gleichgültig, ob sich der Hinweis auf die Umweltverträglichkeit generell, die konkrete Beschaffenheit des Erzeugnisses, die Umstände seiner Herstellung, das Verhalten des Unternehmers in umweltbezogener Hinsicht oder auf sonstige Umstände bezieht. Einerseits legen die Verbraucher viel Wert auf Umweltinformationen; andererseits sind die diesbezüglichen Aussagen aber nur schwer oder gar nicht nachprüfbar. Das birgt eine hohe Gefahr für das sog. Greenwashing, bei dem Produkte oder Leistungen als (besonders) umweltverträglich dargestellt werden, obwohl sie es nicht oder nicht in dem Maße sind, wie es die angesprochenen Verbraucher erwarten. Deshalb besteht in der Werbung mit umweltbezogenen Aussagen lauterkeitsrechtlich ein besonderes ­Bedürfnis für einen Irreführungsschutz.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass dem Umweltschutz durch das Unionsrecht und das nationale Verfassungsrecht ein hoher Stellenwert eingeräumt ist. Die Ziele der Umweltpolitik der Union sind nach Art. 191 Abs. 1 AEUV auf die Erhaltung und den Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, den Schutz der menschlichen Gesundheit, eine umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen und eine Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme gerichtet. Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen nach Art. 191 Abs. 2 AEUV bei der Festlegung und Durchführung anderer Unionspolitiken einbezogen werden. Damit wird den Zielen des Umweltschutzes Vorrang eingeräumt. Verfassungsrechtlich enthält Art. 20 a GG einen Schutzauftrag zugunsten der natürlichen Lebensgrundlagen.

In dem Maße, in dem die Umwelt als ein wertvolles und schutzbedürftiges Gut allgemeine Anerkennung erlangt hat, ist das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung gewachsen. Das hat wiederum dazu geführt, dass der Verkehr vielfach Waren (Leistungen) bevorzugt, auf deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. Gefördert wird ein solches Kaufverhalten auch durch den Umstand, dass sich Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, als besonders geeignet erweisen, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen, die von einer Besorgnis um die eigene Gesundheit bis zum Verantwortungsgefühl für spätere Generationen reichen. Gleichwohl bestehen in Einzelheiten noch weitgehend Unklarheiten, insbesondere über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe – wie etwa umweltfreundlich, umweltverträglich, umweltschonend, klimaneutral oder bio – sowie der hierauf hindeutenden Zeichen. Eine Irreführungsgefahr ist daher im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß. Hinzu kommt, dass die entsprechend beworbenen Produkte regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Hinsicht, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender bzw. weniger umweltstörender als andere Waren sind.

Die Umweltwerbung weist starke Parallelen zur Gesundheitswerbung auf. Beide Werbeformen beziehen sich auf Waren oder Dienstleistungen, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die Gesundheit auswirken. Die Gesundheitswerbung wird in der Rechtsprechung seit jeher tendenziell streng beurteilt. Das hat jedoch nicht zu einem kategorischen Verbot der Gesundheitswerbung geführt. Das wäre auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, zumal insoweit eben ein erhebliches Informationsinteresse der Bevölkerung besteht. Die Rechtsprechung hat das Spannungsverhältnis zwischen hoher Attraktivität der Gesundheitswerbung mit hohem Irreführungspotenzial einerseits und Informationsinteresse der Bevölkerung andererseits dadurch gelöst, dass dem Werbenden umfangreiche Aufklärungspflichten auferlegt wer-den. Auszugehen ist also von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Gesundheitswerbung, solange nur durch klare, verständliche und leicht auffindbare aufklärende Hinweise sichergestellt ist, dass die Verbraucher nicht in die Irre geführt werden. Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung auf die Umweltwerbung übertragen. Die Umweltwerbung ist somit zulässig, sofern die angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen in klarer und verständlicher Weise aufgeklärt werden.

Bild von einem Wald mit Recycling-Symbol

Dieses Lösungsmodell beruht wiederum auf allgemein lauterkeitsrechtlichen Grundsätzen. Danach beurteilt sich die Frage, ob eine Werbung irreführende Angaben enthält, nach der Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet und im Übrigen danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht. Eine Werbung ist irreführend und damit verboten, wenn die bei den angesprochenen Verkehrskreisen mit der Werbung hervorgerufenen Vorstellungen nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen. Alleiniger Maßstab für die lauterkeitsrechtliche Irreführungsprüfung ist somit die durch die Werbeaussagen ausgelöste Verkehrserwartung. Nicht das, was der Werbende gerne zum Ausdruck gebracht hätte, sondern allein die Vorstellungen, die seine Werbung beim angesprochenen Publikum hervorgerufen hat, sind der Prüfungsmaßstab. Bei der Ermittlung dieser Vorstellungen ist das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen, verständigen und durchschnittlich informierten Teilnehmers des angesprochenen Verkehrskreises zugrunde zu legen. Für mehrdeutige Angaben – und darum handelt es sich im Zweifel bei pauschalen Begriffen wie „umweltfreundlich“ oder „klimaneutral“ – gilt der Grundsatz, dass der Werbende jedes nicht ganz fernliegende Verständnis des angesprochenen Publikums gegen sich gelten lassen muss.

Demjenigen, der Produkte oder Leistungen mit (vermeintlichen) Umweltvorzügen bewirbt, muss also bewusst sein, dass eine solche Werbung ohne aufklärende Hinweise zu den Umweltvorzügen per se unzulässig ist und die Rechtsprechung im Übrigen strenge Anforderungen an die Klarheit und Auffindbarkeit der zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise stellt. Diese bestimmen sich im Einzelfall nach der Art des Produkts und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Waren hervorgerufen und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (OLG Bremen, GRUR 2023, 1384 Rn. 64).

Hieraus folgt, dass umweltbezogene Werbeaussagen – auch im Interesse der Förderung des Umweltschutzes und der Information der Verbraucher – zwar grundsätzlich zulässig sind. Allerdings ist die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Um bei allgemein gehaltenen Aussagen zur Umweltverträglichkeit eine Irreführung zu vermeiden, ist es daher geboten, über die näheren Umstände, auf die sich die Aussage bezieht, in deutlicher, verständlicher und leicht auffindbarer Weise aufzuklären. Eine umweltfreundliche Werbeaussage muss zum Ausdruck bringen, in welcher Hinsicht die umwobene Ware oder Leistung einen umweltbezogenen Vorzug aufweist, wobei der Inhalt und der Umfang der Aufklärung von der Art der Ware oder Dienstleistung sowie dem Grad und dem Ausmaß der Umweltfreundlichkeit abhängen.

Nochmals gesteigerte Anforderungen gelten bei dem Einsatz von Umweltzeichen und auf die Umweltverträglichkeit hindeutenden Prüfsiegeln, Symbolen, Auszeichnungen oder Prämierungen. Ein Gütesiegel oder Prüfzeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist. Das Verkehrsverständnis geht dahin, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat und die Einhaltung der Vergabebedingungen fortlaufend überwacht. Deshalb geht von derartigen Werbeformen eine besondere Irreführungsgefahr aus. Wer mit solchen Gütesiegeln und Prüfzeichen wirbt, muss eine Fundstelle angeben, unter der sich der Verbraucher über das Prüfinstitut, die angewandten Prüfkriterien, insbesondere auch die Prüfungsbreite und -tiefe sowie den Zeitpunkt der Prüfung informieren kann. Denn der Verbraucher erwartet, dass das beworbene Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestkriterien anhand objektiver Kriterien geprüft worden ist und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist, und der Verbraucher möchte das anhand einer Fundstellenangabe überprüfen können (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 38 ff – LGA tested).

Der Bundesgerichtshof wird sich übrigens im Verhandlungstermin am 18.04.2024 – I ZR 98/23 – mit der Frage befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ zulässig ist. Zugrunde liegt die Werbung eines Unternehmens, das Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz herstellt. Die Produkte sind im Lebensmitteleinzelhandel, an Kiosken und an Tankstellen erhältlich. Das Unternehmen warb in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage: „SEIT 2021 PRODUZIERT … ALLE PRODUKTE KLIMANEUTRAL“ und einem Logo, das den Begriff „klimaneutral“ zeigt. Der Herstellungsprozess der Produkte läuft nicht CO2-neutral ab. Allerdings unterstützt das Unternehmen über ein Umweltberatungsunternehmen Klimaschutzprojekte und weist in der Werbung auf diese Kooperationen hin.

Bild mit Betonhintergrund und der Aufschrift Zusammenfassend ist somit folgendes festzuhalten:

Zusammenfassend ist somit folgendes festzuhalten:

Die Werbung mit umweltbezogenen Aussagen und Zeichen ist nicht kategorisch unzulässig. An ihre Zulässigkeit werden jedoch strenge Anforderungen gestellt, denn der Einsatz entsprechender Angaben und Zeichen in der Werbung birgt ein hohes Irreführungspotenzial. Dieses ergibt sich daraus, dass das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung deutlich zugenommen hat. Dementsprechend stellt die Umweltverträglichkeit von Produkten und Verfahren aus Sicht des angesprochenen Publikums ein die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussendes Beschaffenheitsmerkmal des betreffenden Produkts dar. Gleichzeitig gibt es aber keine absolute Umweltverträglichkeit. Hinzu kommt, dass Begriffe wie umweltfreundlich, umweltverträglich, umweltschonend, klimaneutral oder bio und entsprechende Zeichen erhebliche Unschärfen in Bezug auf ihren Bedeutungsgehalt aufweisen. Aus diesen Gründen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise. Daraus ergibt sich, dass derjenige, der mit umweltbezogenen Angaben oder Zeichen wirbt, in der Werbung klar, deutlich, leicht verständlich und leicht auffindbar über den Grund und die konkrete Art des beworbenen Umweltvorzugs aufklären muss. Werden Umweltzeichen oder Gütesiegel eingesetzt, muss über eine Fundstellenangabe in entsprechend deutlicher Weise darüber aufgeklärt werden, wo und wie sich der Verbraucher über das Prüfinstitut, die Prüfkriterien, das Prüfverfahren und den Zeitpunkt der Prüfung informieren kann.

 

Rechtsanwalt Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte Part mbB – Büro
Stuttgart – www.kleiner-law.com

 

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