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Großer ­Aufschrei – Ein Jahr neue Preis­angaben­verordnung

Der Aufschrei war groß als wir vor rund einem Jahr mit einer umfassenden Gesellschafter-Information über die am 28.05.2022 in Kraft getretene Novelle der Preisangabenverordnung (PAngV) berichteten, speziell über die zusätzliche Preisangabenpflicht bei der Bekanntgabe einer Preisermäßigung für Waren nach dem neuen § 11 PAngV.

Zur Erinnerung: Nach dem neuen § 11 PAngV hat derjenige, der zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist – das gilt immer, wenn, wie üblich, mit Preisen geworben wird –, gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntmachung einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass z.B. in der beliebten Werbung mit Streichpreisen als durchgestrichener Preis nicht mehr irgendein (Phantasie-) Preis angegeben werden darf; vielmehr muss es sich bei dem Streichpreis um den niedrigsten Preis handeln, der innerhalb der letzten 30 Tage nachweisbar für den entsprechenden Artikel verlangt wurde.

Diese Nachricht löste in der Branche blankes Entsetzen aus. Es könne doch nicht sein, dass man als Streichpreis nicht mehr den Preis einsetzen könne, den man für den betreffenden Artikel bei Zugrundelegung einer branchenüblichen Kalkulation eigentlich verlangen müsste. Dies war der Grundtenor der massenweisen Rückfragen, die bei uns nach der Gesellschafter-Information eingegangen sind. Offenbar hatte sich nach dem Wegfall der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes im Jahr 2001 sowie der Abschaffung der Sonderveranstaltungs- und Räumungsverkaufsverbote im Jahr 2004 im Laufe der Zeit vor allem in den Bran-chen Möbel, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik und Lebensmittel, die zur Überzeugung gereifte Vorstellung breit gemacht, zur Kenntlichmachung der Attraktivität des eigenen Angebots seien alle Mittel bis hin zur massiven Preistäuschung erlaubt. Der europäische Gesetzgeber erkannte diese Entwicklung und sah sich in Umsetzung seines erklärten Ziels, durch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen ein hohes Verbraucherschutzniveau innerhalb der Gemeinschaft zu erreichen, veranlasst, dieser Entwicklung durch Erlass der Richtlinie (EU) 2019/2161 zur bessern Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union entgegenzuwirken. Den Mitgliedstaaten wurde aufgegeben, die neuen Vorgaben der Richtlinie bis zum 28.11.2021 in nationales Recht umzusetzen und ab dem 28.05.2022 anzuwenden. Diesem Auftrag ist der deutsche Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ vom 10.08.2021 und der „Verordnung zur Novellierung der Preisangabenverordnung“ vom 12.11.2021 nachgekommen. Zu einer der zentralen Regelungen der gesetzgeberischen Maßnahmen zur Verbesserung und Modernisierung des Verbraucherschutzes gehört der neue § 11 PAngV. Was der europäische Gesetzgeber mit dieser zusätzlichen Preisangabenpflicht erreichen wollte, ist einer Bekanntmachung der Kommission – Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Art. 6 a) der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse – zu entnehmen. Dort heißt es u.a.:

„Zweck dieses Referenzzeitraums von mindestens 30 Tagen ist es, Händler daran zu hindern, mit Preisen zu jonglieren und gefälschte Preisermäßigungen anzukündigen, beispielsweise einen Preis für einen kurzen Zeitraum zu erhöhen, um ihn anschließend zu senken und als (erhebliche) Preisermäßigung darzustellen, wodurch die Verbraucher irregeführt werden. Der 30-Tage-Zeitraum für die Festsetzung des „vorherigen“ Referenzpreises stellt somit sicher, dass der Referenzpreis real und nicht nur ein Marketinginstrument ist, um die Ermäßigung attraktiv erscheinen zu lassen.“

Wer also seit dem 28.05.2022 mit Preisermäßigungen für Waren, regelmäßig also für Sonderangebote mit „Vorher/Jetzt“-, „Streich“- und „statt“-Preisen oder mit Rabatten wirbt, muss einen Referenzpreis angeben. Bei dem Referenzpreis muss es sich um den niedrigsten Preis handeln, der in den letzten 30 Tagen vor der Bekanntgabe der Preisermäßigung für die betreffende Ware gegolten hat. Die Beweislast liegt beim Werbenden, der seine diversen Preisstellungen tunlichst dokumentieren sollte.

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings einige wichtige Ausnahmen. So kann z.B. nach § 11 Abs. 2 PAngV im Falle einer schrittweisen, ohne Unterbrechung ansteigenden Preisermäßigung des Gesamtpreises einer Ware während der Dauer der Preisermäßigung als niedrigster Gesamtpreis i.S.d. § 11 Abs. 1 PAngV der Preis angegeben werden, der vor Beginn der schrittweisen Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern für diese Ware angewendet wurde. Des Weiteren gilt die Verpflichtung zur Angabe des Referenzpreises nicht bei der Bekanntgabe von individuellen Preisermäßigungen, also beim „Rabattfeilschen“ oder einem Entgegenkommen des Händlers aus Gründen der Kundentreue. Nicht erfasst von § 11 PAngV ist ferner die Verwendung von allgemeinen mehr oder weniger nichtssagenden Preisaussagen ohne werbliche Nutzung der konkreten, messbaren Preisermäßigung, wie z.B. die Bezeichnung des Preises als „Sparpreis“, „Preisbrecher“, „Super Preis“, „Preisknüller“, „Traumpreis“ oder „Wahnsinnspreis“ – von der Bezeichnung des Preises als „Aktionspreis“ wird indes abgeraten, da der Hinweis auf die „Aktion“ eine Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs und damit eine Preisermäßigung indiziert. Ebenfalls nicht erfasst von § 11 PAngV wird die bloße Angabe des ermäßigten Preises ohne jeden Hinweis darauf, dass es sich um eine Preisermäßigung handelt, insbesondere also ohne Angabe eines früheren Preises und ohne Angabe von prozentualen Preisreduzierungen. Auf die Werbung mit Einführungspreisen für Waren, die der Händler in sein Sortiment aufnimmt, findet § 11 PAngV ebenfalls keine Anwendung. Gleiches gilt für die Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Des Weiteren wird von § 11 PAngV nicht die Werbung mit Drauf- bzw. Dreingaben, wie z.B. „Kaufe 3 zahle 2“ oder mit Rabatten aufgrund von Loyalitätsprogrammen erfasst, also z.B. die besondere Behandlung von Stammkunden bzw. Inhabern von Kundenkarten in der Weise, dass den betreffenden Kundenkreisen stets auf alle Einkäufe (je nach Wert gestaffelte) Rabatte gewährt werden.

Der Küchenring Blog Foto Juristentipp Preisangabenverordnung

Eine weitere und sehr wichtige Ausnahme von der Pflicht zur Angabe eines neuen Gesamtpreises gilt auch bei generellen Preisermäßigung-Aktionen. Wie eingangs bereits erwähnt, sind im Jahr 2001 das Rabattgesetz und im Zuge der UWG-Reform 2004 das Sonderveranstaltungs- und Räumungsverkaufsrecht abgeschafft worden. Das machte eine Ausnahme von den Grundsätzen des § 1 Abs. 1 PAngV a.F. (Pflicht zur End- bzw. Gesamtpreisangabe) erforderlich. Ansonsten wären Unternehmer bei Sonderaktionen mit generellen Preisnachlässen gezwungen gewesen, jeden Artikel mit dem herabgesetzten Preis auszuzeichnen. Das hätte aber nicht nur unzumutbaren Aufwand verursacht; es hätte auch leicht Unsicherheit, Verwirrung und Streit entstehen können, weil der Verbraucher hätte glauben können, er könne zusätzlich auf den neuen, herabgesetzten Gesamtpreis noch den angekündigten Preisnachlass in Anspruch nehmen. Deshalb ist in § 9 Abs. 2 PAngV a.F. eine Ausnahme für Aktionen verankert worden. Daran hat sich auch in der neuen Preisangabenverordnung nichts geändert. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 PAngV gilt die Pflicht zur Angabe eines neuen Gesamtpreises nicht bei nach Kalendertagen zeitlich begrenzten und durch Werbung oder in sonstiger Weise bekanntgemachten generellen Preisermäßigungen. Die Privilegierung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 PAngV setzt somit das Vorliegen einer generellen Preisermäßigung voraus. Generell ist eine Preisermäßigung, wenn sie für jeden Verbraucher gilt. Ferner muss es sich um eine nach Kalendertagen zeitlich begrenzte Aktion handeln. Es muss also durch Datumsangaben angegeben werden bis zu welchem Zeitpunkt und für welche Produkte eine generelle Preisermäßigung Gültigkeit hat. Nicht ausreichend ist eine Bezeichnung nach Wochen oder Monaten. Nicht ausreichend ist es ferner, wenn nur der Anfangstag und nicht auch der Schlusstag der Aktion angegeben wird. Nach dem Ende der Aktion muss der Unternehmer wieder zu seiner alten Preisstellung zurückkehren, mindestens jedoch neue Gesamtpreise nennen, die höher sein müssen als die während der Aktion rabattierten Preise. Schließlich wird gefordert, dass die generelle Preisermäßigung durch Werbung bekanntgemacht wird. Der Verbraucher soll die Möglichkeit haben, sich rechtzeitig zu informieren und Preisvergleiche vorzunehmen. Daher müssen die angesprochenen Personen vor Beginn der Aktion aufgrund einer entsprechenden Ankündigung in Werbeträgern (Plakate, Zeitungsanzeigen, Prospekte, Rundfunkwerbung, Internetwerbung) davon Kenntnis nehmen können. Es genügt also nicht, dass erst im Geschäft auf die generelle Preisermäßigung hingewiesen wird. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 PAngV dürfte es also weiterhin zulässig sein, in der Werbung z.B. eine „Rabatt-Aktion mit bis zu …% Rabatt auf … von … bis …“ anzukündigen, ohne dass an der Ware selbst der nach Abzug des Rabattes gültige Gesamtpreis angegeben werden muss. Der Rabattabzug kann vielmehr entweder an der Kasse oder auf der Bestellung/Kaufvertrag erfolgen.

Nachdem die Neuregelungen nun seit ca. einem Jahr gelten, stellt sich die Frage, wie die Branche und die Rechtsprechung darauf reagiert hat. Die Wahrnehmungen des Verfassers dieses Beitrags sind sehr unterschiedlich. Die XXXLutz-Gruppe versucht die Preiswürdigkeit ihrer Angebote durch Bezugnahmen auf unverbindliche Preisempfehlungen des Herstellers werblich herauszustreichen. Das ist grundsätzlich auch in Bezug auf Eigenmarken zulässig, wobei sich jedoch schon die Frage stellt, ob es für diese Waren tatsächlich eine auf einer ernsthaften Kalkulation beruhende und am Markt durchsetzbare unverbindliche Preisempfehlung des Inhabers der Eigenmarke gibt. Des Weiteren hat die XXXLutz-Gruppe ein umfangreiches Kundenbindungsprogramm aufgelegt, dessen Vorteile, zu denen auch permanente Preisvergünstigungen gehören, ebenfalls werblich stark herausgestellt werden. Schließlich wird auch von der Privilegierung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 PAngV in Form von Rabattaktionen Gebrauch gemacht, die in der allgemeinen Publikumswerbung angekündigt werden, damit für alle Verbraucher gelten und die eindeutig zeitlich befristet sind. Daneben gibt es Wettbewerber, bei deren Werbung man den Eindruck gewinnt, es habe keine Änderung der Preisangabenverordnung gegeben. Der Umstand, dass diese Händler ihr Verhalten über Monate hinweg fortsetzen, spricht indiziell dafür, dass sich bisher noch niemand gefunden hat, der dieses Verhalten wettbewerbsrechtlich angreifen wollte.

In der Rechtsprechung sind bisher nur Entscheidungen aus zwei einstweiligen Verfügungsverfahren veröffentlicht. Zum einen ein Urteil des Landgerichtes München I vom 10.10.2022 – Az.: 42 O 9140/22 –, zum anderen ein Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichtes vom 12.12.2022, mit dem eine einstweilige Verfügung wegen eines Verstoßes gegen die neuen Pflichten zur Grundpreisangabe – diese Pflichten sind für die Möbelbranche allerdings weitgehend bedeutungslos – erlassen wurde. Für die Möbelbranche ist im Grunde nur das Verfügungsurteil des Landgerichtes München I vom 10.10.2022 interessant. Mit diesem Urteil wurde der dortigen Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, Parfümangebote für bestimmte Marken mit Streichpreisen oder Rabatten zu bewerben, wenn es sich bei dem in Bezug genommenen durchgestrichenen Referenzpreis nicht jeweils um den günstigsten Preis handelt, den die Verfügungsbeklagte innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat.

Zusammenfassend lässt sich nach einem Jahr sagen, dass das in diesem Beitrag behandelte Thema in der Realität – wie so häufig – bei weitem weniger heiß gegessen wird als es gekocht wurde.

Rechtsanwalt Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte Part mbB – Büro ­Stuttgart – www.kleiner-law.com

Bildquelle: Der Küchenring